EPILEPSIEN DES KINDESALTERS


Wir wollen Ihnen auf dieser Seite die wichtigsten Epilepsiesyndrome des Kindesalters, mit denen wir uns wissenschaftlich beschäftigen, vorstellen.

FIEBERKRÄMPFE

 

Häufigkeit 2-4% aller Kinder
Krankheitsbeginn 6. Lebensmonat - 6. Lebensjahr
neurologische Untersuchung unauffällig
Anfallstypen Auftreten von (meist) generalisiert tonisch-klonischen Anfällen bei rasch ansteigendem Fieber im Rahmen von Infektionserkrankungen, z.B. Atemwegsinfekte, Mittelohrentzündung, 3-Tage-Fieber und nach Impfungen
EEG die Ableitung eines EEGs ist in der Regel nicht notwendig
Ursachen genetische Ursachen werden vermutet; häufig positive Familiengeschichte für Fieberkrämpfe
Therapie in der Regel nach wenigen Minuten selbstlimitierend; ggf. Unterbrechung durch Gabe von Diazepam; Fiebersenkung
Prognose sehr gut; das Risiko für die Entwicklung einer Epilepsie ist geringgradig erhöht
 

ROLANDO EPILEPSIE
Häufigkeit etwa 15% aller kindlichen Epilepsien
Krankheitsbeginn 3.-10. (-13). Lebensjahr
neurologische Untersuchung unauffällig
Anfallstypen jüngere Kinder: meist generalisiert tonisch-klonische Anfälle aus Schlaf heraus; ältere Kinder: sensomotorische Herdanfälle im Gesicht mit Sprachstörung bei erhaltenem Bewusstsein; in der Vorgeschichte häufig Neugeborenenanfälle und Fieberkrämpfe
EEG meist sharp-wave- und sharp-slow-wave-Herd zentrotemporal; Aktivierung im Schlaf; in 30% multifokal
Ursachen genetische Ursachen werden vermutet
Therapie gutes Ansprechen auf Antiepileptika (Sultiam)
Prognose in der Regel normale Entwicklung, evtl. Auftreten von Teilleistungsstörungen; vollständige Rückbildung der Anfälle und EEG-Veränderungen bis zur Pubertät
 
IDIOPATHISCH (GENETISCH) GENERALISIERTE EPILEPSIEN
Absence Epilepsie des Kindesalters (childhood absence epilepsy, CAE)
Häufigkeit 6-12% aller Epilepsien
Krankheitsbeginn 3-10 Jahre, Mädchen häufiger betroffen
neurologische Untersuchung unauffällig
Anfallstypen Absencen (= unvermittelt einsetzende Bewusstseinspause von ~ 5 - 15 sec mit Innehalten, starrem Blick, fehlender Ansprechbarkeit, Erinnerungspause), täglich bis zu 100 Anfälle; selten auch Auftreten von generalisiert tonisch-klonischen Anfällen
EEG 3/sec spike-waves; generalisiert (= über beiden Gehirnhälften gleichzeitig auftretend)
Ursachen genetische Ursachen werden vermutet; häufig positive Familiengeschichte für Epilepsien
Therapie meist  gutes Ansprechen auf Antiepileptika (Valproat, Ethosuximid, Lamotrigin)
Prognose gut, 70 - 80% langfristig anfallsfrei; Übergang in einer andere Form der idiopathisch generalisierten Epilepsien möglich
 
Absence Epilepsie des Jugendalters (juvenile absence epilepsy, JAE)
Häufigkeit etwa 10% aller idiopathisch generalisierten Epilepsien
Krankheitsbeginn 10.-14. Lebensjahr
neurologische Untersuchung unauffällig
Anfallstypen Absencen; weniger Anfälle als bei der CAE; häufiger zusätzlich Auftreten von generalisiert tonisch-klonischen Anfällen
EEG 3/sec spike-waves; generalisiert
Ursachen genetische Ursachen werden vermutet; häufig positive Familiengeschichte für Epilepsien
Therapie meist gutes Ansprechen auf Antiepileptika (Valproat, Ethosuximid, Lamotrigin)
Prognose meist wird Anfallsfreiheit erreicht; häufiger als bei der CAE muss eine langfristige antiepileptische Therapie erfolgen
 
Juvenile myoklonische Epilepsie (Janz Syndrom, JME)
Häufigkeit 5-10% aller Epilepsien
Krankheitsbeginn 10-17 Jahre
Neurologische Untersuchung unauffällig
Anfallstypen myoklonische Anfälle (= heftige Muskelzuckungen bei erhaltenem Bewusstsein), v.a. morgens nach dem Aufwachen; häufig zusätzlich Auftreten von generalisiert tonisch-klonischen Anfällen
EEG generalisierte irreguläre spike-waves, polyspike-waves
Ursachen genetische Ursachen werden vermutet; häufig positive Familiengeschichte für Epilepsien
Therapie meist gutes Ansprechen auf Antiepileptika (Valproat, Levetirazetam, Lamotrigin)
Prognose gutes Ansprechen auf Medikamente, meist jedoch lebenslange Behandlung notwendig
 
MYOKLONISCH-ASTATISCHE EPILEPSIE (DOOSE SYNDROM)
Häufigkeit 2-4% der Epilepsien des Kindesalters
Krankheitsbeginn 1.-5. Lebensjahr
Neurologische Untersuchung unauffällig
Anfallstypen myoklonisch-astatische Anfälle: Für wenige Sekunden plötzlicher Verlust der Muskelspannung mit blitzartigem Hinstürzen, meist eingeleitet von kurzen Zuckungen. Daneben Absencen (50%) und generalisierte tonisch-klonische Anfälle (75%).
EEG abnorme Hintergrundaktivität, irreguläre Spike-waves, Polyspike-waves
Ursachen genetische Ursachen werden vermutet; häufig positive Familiengeschichte für Epilepsien
Therapie häufig gutes Ansprechen auf Antiepileptika (Valproat, Ethosuximid, Lamotrigin)
Prognose variabel; Neigung zu Petit-mal-Status (Absencen) mit Dämmerungszuständen; evtl. psychomotorische Retardierung.
 
DRAVET SYNDROM
Häufigkeit sehr selten (geschätzt 1:20.000-1:40.000)
Krankheitsbeginn meist 3. - 9. Lebensmonat
Neurologische Untersuchung bei Epilepsiebeginn unauffällig
Anfallstypen Beginn häufig mit Fieberkrampf, evtl. lang andauernd (als sog. Status epilepticus); im Verlauf Auftreten weiterer, unterschiedlicher Anfallsarten: myoklonische Anfälle (plötzliche, sehr kurze, nicht rhythmische Zuckungen); (wechselnd seitenbetonte)generalisiert tonisch-klonische Anfälle; atypische Absencen; komplex-partielle Anfälle
EEG zu Beginn häufig unauffällig; im Verlauf variable Auffälligkeiten; oft Photosensibilität
Ursachen bei ~80% der Patienten Veränderungen im SCN1A-Gen
Therapie häufig schlechtes Ansprechen auf Antiepileptika (Valproat, Stiripentol, Clobazam, Topiramat); einige Antiepileptika können Anfälle provozieren (u.a. Lamotrigin, Phenytoin, Oxcarbazepin)
Prognose meist Auftreten einer Entwicklungsverzögerung mit Beginn der Epilepsie; im Verlauf variable Ausprägung
 
WEST SYNDROM
Häufigkeit selten (etwa 1:5000), Jungen > Mädchen (3:2)
Krankheitsbeginn meist 2. - 8. Lebensmonat
Neurologische Untersuchung bei Epilepsiebeginn unauffällig
Anfallstypen Blitz-Nick-Salaam Anfälle (BNS): Arme und Beine werden bei gleichzeitiger Rumpfbeugung blitzartig nach vorn/oben geworfen, verbunden mit Kopfbeugung für wenige Sekunden
EEG Hypsarrhythmie (= hohe langsame (Delta)Wellen mit wechselnd eingestreuten Spitzen (Spikes und Sharp-waves))
Ursachen ~65% symptomatisch: Reaktion des unreifen Gehirns auf Schädigung durch Geburtskomplikation, Trauma, Stoffwechselerkrankung, chromosomale Veränderungen, u.a.; ~15% idiopathisch: in diesen Fällen werden genetische Ursachen werden vermutet; ~20% kryptogen: keine Ursache diagnostizierbar
Therapie Ansprechen auf Antiepileptika (Valproat, Vigabatrin u.a.) variabel; evtl. Gabe von hochdosiertem Kortison
Prognose abhängig von der Grunderkrankung; meist tritt mit Beginn der Epilepsie eine Entwicklungsverzögerung auf; bei gutem Ansprechen auf die Therapie normale Entwicklung möglich
 
VITAMIN B6-ABHÄNGIGE EPILEPSIEN
Häufigkeit sehr selten
Krankheitsbeginn 1.-2. Lebenswoche
(meist in den ersten Lebensstunden bis -tagen, selten bis 14. Lebensmonat)
Neurologische Untersuchung nach Geburt geringer Muskeltonus (Hypotonie), niedrige Körpertemperatur, Irritabilität
Anfallstypen generalisierte (myo-)klonische Anfälle, lang andauernd (als sog. Status epilepticus); zum Teil bereits während der Schwangerschaft Auftreten von Anfällen
EEG sehr variabel; lokalisierte Entladungen (fokale spike-waves); generalisierte Verlangsamung
Ursachen Veränderungen im ALDH7A1 (Antiquitin)-Gen oder (sehr selten) im PNPO-Gen
Therapie Gabe von Vitamin B6 (Pyridoxin, bei Veränderungen im ALDH7A1-Gen) oder Pyridoxal-5-Phosphat (bei Veränderungen im PNPO-Gen)
Prognose bei frühzeitiger Therapie gut; meist sofortiges Ansprechen auf Vitamin B6; variable Entwicklungsverzögerung möglich